OKT. 2023, AUSGABE 5
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Wo es Frieden und Meditation gibt, da herrscht weder Sorge noch Zweifel
Franz von Assisi
Muntermacher
Über Meditation sprechen viele, aber wer meditiert wirklich regelmäßig? Dabei könnte uns die Meditation genau das schenken, was wir oft so verzweifelt und nervös suchen: innere Ruhe. Meditieren ist auch lange nicht so kompliziert, wie wir uns das oft vorstellen. Es genügt, sich jeden Morgen eine Minute Zeit zu nehmen und sich nur auf den Atem zu konzentrieren. Nach einem Monat lässt sich diese Übung auf zwei Minuten steigern, im wenigen Monaten sind es dann bereits drei Minuten und zum Jahresende haben wir uns ohne große Mühe eine einfache, aber verlässliche Meditationspraxis von täglich 12 Minuten erarbeitet.
Friedrich Rittelmeyer schlägt eine Ruhe-Meditation vor, die wir nachfolgend vorstellen. Er meint, sie könne uns sogar den Urlaub ersetzen: „Wenn wir zu der Ruhe-Übung zurückkehren, so kann sie dem Menschen allmählich vorkommen wie ein Sanatorium, das er sich selbst gebaut hat. Er bedarf nicht weiter und kostspieliger Reisen ins Gebirge, wenn er sich erholen will. Er kehrt in seine Ruhe ein. Ich habe mir manchmal vorgestellt, ich wohne in dieser Ruhe, wie etwa ein Taucher unter einer großen Glasglocke im Meer weilt. Draußen wallt das Meer, die Fische ziehen vorüber, die Raubtiere des Meeres greifen an, er aber ist wohlgeborgen in seinem durchsichtigem Haus, aus dem er hinausschaut auf das, was um ihn ist. So mag man in seinem Ruhehaus einen Geistesblick tun auf den Lärm und die Hast da draußen. Man wird das Ruhegefühl durch den Gegensatz noch verstärken.“
Copyright: Original-Leitspruch-Schritt-für-Schritt-Kalender, Ausgabe 2010
Meditation
Wo in meinem vergangenen Leben habe ich am stärksten erlebt, was Ruhe ist? Ein stiller Abend im Wald fällt uns ein. Wir saßen auf einer Bank am See. Mit friedlichem Plaudern spielten die Wasser zu unseren Füßen. Kaum merkbar sich wiegend rauschten die Bäume im Abendwind. Dämmerung breitete sich wie ein hüllendes Gewand über das Land.
Je lebendiger und konkreter das Bild ist, um so besser. Haben wir das Bild zu starkem Leben gebracht, dann tilgen wir das Bild und behalten nur die Empfindung zurück: die Empfindung einer großen, wohltuenden, alles erfüllenden Ruhe.
Was einem Menschen der Abend im Wald ist, das wird dem anderen der Eindruck der hohen Berge im ewigen Schnee sein, wie er sich auf einer Wanderung ganz plötzlich in der Ferne vor sich sah: eine unergründliche Mahnung aus einer höheren Welt. Und wieder einem anderen wird es der nächtliche Sternenhimmel sein, vielleicht wie er ihn beim Heraustreten aus einer erregten Versammlung oder aus einer lebhaften Gesellschaft besonders eindrucksvoll erlebte. Mancher mag an dem Abendlied Goethes „Über allen Gipfeln ist Ruh“ ein ähnliches Erlebnis gehabt haben oder an den Nachtliedern von Mörike, Hebbel, Novalis. Immer gilt es, alles einzelne der Erinnerung nur als Hilfe dienen zu lassen, um zum Gefühl der großen Ruhe zu kommen.
So mächtig wie nur möglich sollte die Ruhe empfunden werden. Man mag sich in solchen Fällen sagen: Du empfindest nun diese Ruhe so stark, es gibt aber gewiss Menschen, die sie noch zehnmal stärker empfinden als du. Nicht nur gilt es, in dieser Meditation, die etwa fünf bis fünfzehn Minuten dauern mag, immerfort möglichst bewusst diese Ruhe festzuhalten, gleichsam immerfort innerlich zu ihr Ja zu sagen, sondern es gilt auch, sie womöglich immer stärker werden zu lassen. Und den ganzen Körper mit ihr auszufüllen, gleichsam den Körper mit ihr auszugießen. Aber auch, um innerlich aktiv zu bleiben, seine einzelnen Glieder nacheinander zur Ruhe bringen. Man wird dann erst merken, wie viel Krampf in den Gliedern ist, in den Händen, in den Füßen, im Gehirn, in den Halsmuskeln, die den Kopf tragen. Man schaut dann der Ruhe zu wie einem Trunk, der durch alle Reiche des Leibes rinnt.
Friedrich Rittelmeyer
Meditation, Zwölf Briefe über Selbsterziehung